Seit Beginn des Ukrainekrieges engagieren sich Mitglieder des RT Asyl gemeinsam mit Helfern aus den verschiedenen Karlsbader Kirchengemeinden im Café International, das inzwischen jeden 1. Donnerstag im Monat im ev. Gemeindehaus Langensteinbach stattfindet. Bereits früher diente das damalige „Café Asyl“ der Begegnung zwischen Geflüchteten und Einheimischen. Nach der vorübergehenden Schließung des Cafés aufgrund von Coronabeschränkungen wurde es im April 2022 wiedereröffnet.
Der 8. September 2022 wird vermutlich vielen Besuchern des Internationalen Cafés in besonderer Erinnerung bleiben.
Schon lange war in den Reihen der Geflüchteten der Wunsch aufgekommen, den Karlsbadern mit einem großen Festessen DANKE für alle geleistete Hilfe zu sagen. Nach einigem Hin und Her hatte man sich auf den letzten Donnerstag in den Sommerferien geeinigt.
Diesmal war es also umgekehrt: Die ukrainischen Flüchtlinge waren die Gastgeber und ihre deutschen Helfer und Unterstützer die geladenen Gäste.
Seit 8 Uhr früh waren um die 20 bis 30 Ukrainerinnen unter der Leitung von Serhii Nevmyvaka, von Beruf Koch und Bäcker, am Werk, um in der Küche des Gemeindehauses ukrainische Spezialitäten zuzubereiten. Als schließlich gegen 16.30 die Gäste in großer Zahl eintrafen, war der Saal festlich geschmückt. Auf der Bühne umrahmten Luftballons in den deutschen und ukrainischen Nationalfarben zwei ukrainische Flaggen. Auch die Tische hatte man blau-gelb sowie schwarz-rot-gold dekoriert.
Die Begrüßungsrede von Svetlana Makusheva – Tetyana Zober übernahm dankenswerterweise wieder die Übersetzung – rührte viele zu Tränen. Svetlana beschrieb noch einmal die überstürzte Flucht, als man in aller Eile nur das Nötigste in die Koffer packen und „das Liebste an die Hand“ nehmen konnte, um „ins völlig Ungewisse“ aufzubrechen. Und wie sie nach einigen furchtbaren Tagen als „verletzte Seelen“ dann in Karlsbad ein Dach über dem Kopf fanden und auf große Gastfreundschaft trafen. Dafür wollten sie von ganzem Herzen danke sagen. Und plötzlich erscholl ein dreifaches, von allen ukrainischen Flüchtlingen laut gerufenes „Spasiba, Spasiba, Spasiba!“ (Danke, Danke, Danke) im Saal.
Auf diesen besonderen Moment folgte ein weiterer, als Johannes Werle, Pfarrer der ev. Kirchengemeinde Langensteinbach, und Kerstin Hensel, Leiterin des Café International und Mitglied des RT Asyl, stellvertretend für alle deutschen Helfer ein verziertes Brot mit einem in der Mitte eingelassenen Salzgläschen überreicht bekamen. Brot und Salz, ein altes Symbol für Zusammengehörigkeit und für den Wunsch, dass es dem Empfänger der Gaben gut ergehen möge. Anschließend begrüßte Johannes Werle Herrn Bürgermeister Jens Timm, der ebenfalls der Einladung zu dem Fest gefolgt war.
Nun wurde den Gästen das Essen serviert, Borschtsch und Wareneki. Dazu reichte man weißes Brot mit Speck und Knoblauch sowie Schmand. Borschtsch, eine traditionelle Gemüsesuppe mit Zwiebeln, Rindfleisch, Weißkohl und weiteren Gemüsesorten, zählt in der ukrainischen Form seit Juli 2022 sogar zum immateriellen Kulturerbe der Unesco. Wareneki wiederum gelten in der Ukraine als Nationalgericht. Dabei handelt es sich um halbmondförmige Teigtaschen mit einer Kartoffel-Käse-Quark-Füllung. Die ukrainischen Küchenhelfer hatten an diesem Morgen sage und schreibe 960 Wareniki zubereitet! Zum Nachtisch gab es dann noch verschiedene ukrainische Kuchen, Torten und dünne Pfannkuchen. Für den Medovik zum Beispiel, den ukrainischen Honigkuchen, müssen sieben dünne Teigböden gebacken werden. Eine der Frauen buk allein 23 Tortenböden: 21 Böden für drei Honigkuchen und noch zwei weitere Böden für andere Torten!
Alle ließen sich die liebevoll zubereiteten Gerichte schmecken, doch die Gesichter der meisten Flüchtlinge blieben ernst. Am liebsten wäre es ihnen gewesen – das hatte Svetlana schon zu Beginn gesagt – das Dankesfest hätte zugleich auch das Ende des Krieges und das Ende ihrer Flucht bedeutet.
Im Anschluss bedankte sich Herr Bürgermeister Timm bei den anwesenden Ukrainern und Ukrainerinnen für das leckere Essen und sprach von seiner Hoffnung, dass der Krieg bald ein Ende finden und man darüber hinaus in Freundschaft verbunden bleiben möge. Er dankte auch allen Karlsbadern, die Wohnraum angeboten hatten, und stellte bei weiteren Wohnungsproblemen die Hilfe des Rathauses in Aussicht. Der ev. Kirchengemeinde gegenüber drückte er seinen Dank dafür aus, dass sie die Räume für das Café International zur Verfügung gestellt hatte.
Nun folgte der musikalische Teil des Nachmittags, nämlich klassische und volkstümliche Musikstücke von Anastasia Hurzhyi an der Geige und Olena
Verdy-Bozhenko am Klavier. Die regelmäßigen Besucher des Internationalen Cafés waren schon öfters in den Genuss der wunderbaren Musik dieser beiden Frauen gekommen. Auch einige Kinder wagten sich wieder ans Mikrophon und sangen, von Anastasia an der Geige begleitet, ukrainische Volkslieder.
Mit Tetyanas Worten, dass Anastasia nicht nur Geige spielen, sondern auch malen könne, wurde zum nächsten Programmpunkt übergeleitet. Anastasia überreichte Kerstin ein selbst gemaltes Bild für das Café International. Es zeigte ein kleines strohgedecktes Bauernhaus, das unter einem blauen Himmel in einem sommerlichen Blumengarten stand. Ein Haus bedeutet Geborgenheit, Sicherheit und Heimat. Ihre eigenen Häuser mussten die ukrainischen Flüchtlinge verlassen. In Karlsbader Häusern wurden sie aufgenommen. Kerstin erklärte, dass man in Karlsbad auch weiterhin für die ukrainischen Flüchtlinge da sein werde.
Zum Schluss traten Johannes Werle und Susanne Gehrung (RT Asyl) ans Mikrophon, um allen „Karlsbader Ukrainerinnen und Ukrainern“ für den ganz besonderen Nachmittag ein großes Dankeschön auszusprechen. Die berührenden Worte und das köstliche Essen, die wunderbare Musik, der festlich geschmückte Saal und die vielen fleißigen Hände – „unsere“ ukrainischen Geflüchteten hatten allen Karlsbader Helfern ein rundum liebevoll und aufwendig gestaltetes Dankesfest bereitet.