Helferherzen: Umarmungen brauchen keine Sprache

Familie Alkassas und Helfer

Die Geschichte der geflüchteten Familie Alkassas aus Syrien ist trotz aller Not eine Erfolgsgeschichte. Auch dank der Unterstützung vieler ehrenamtlicher Helfer, fühlen sie sich inzwischen in Deutschland ein Stück weit zuhause.

Waled und Laila Alkassas flüchten mit ihren zwei Söhnen und zwei Töchtern Ende 2015 aus Homs, Syrien, nach Deutschland. Waled ist Tierarzt und Laila Agraringenieurin; sie hat viele Jahre als Dozentin gearbeitet. Nach einer Odyssee von Berlin über weitere Städte, landen sie in der Erstaufnahmestelle Karlsruhe. Die ehemalige Kaserne in der Kriegstrasse ist dem Ansturm nicht gewachsen. Helferin Ulrike Israel berichtet aus dieser Zeit: „Das war das Härteste, was ich erlebt habe – kein fließendes Wasser, schlecht funktionierende Toiletten und Essen aus Packungen. Die Ämter waren völlig überfordert.“ Ulrike Israel ist Bildhauerin und bringt sich ehrenamtlich stark für die Belange der Geflüchteten ein. Sie sagt: „Man muss alle miteinander vernetzen, die Geflüchteten, die Nachbarn, die Ämter, die Helfer, und so funktioniert Gesellschaft im besten Sinne. Es müssen sich aber alle Seiten einbringen.“ Ulrike Israels Hilfe war es, alle in der Schule und in Sprachkursen unterzubringen. Sie sagt: Die Geflüchteten können so schneller ankommen und dem tristen Alltag der LEA etwas Sinnvolles entgegensetzen.“

Nach drei Monaten zieht die Familie in die Gemeinschaftsunterkunft (GU) in Langensteinbach. In einer Lagerhalle werden nach oben offene Parzellen für die Familien eingerichtet. Der Lärmpegel ist hoch. Helferin Anuschka Rausch aus Waldbronn, die als Künstlerin und Therapeutin in Langensteinbach arbeitet, hat ihr Praxis-Atelier in der Nachbarschaft der GU. Die Kinder der Geflüchteten dürfen zu ihr ins Atelier kommen – zum Malen, zum Basteln, zum Durchatmen. „Kunst ist ein Mittel, alle Menschen zu erreichen – es funktioniert nach innen und hat auch eine Außenwirkung“, sagt sie. Sie erzählt von den erfolgreichen Projekten, die ins Leben gerufen werden, wie der Ferienwunschbaum und ein vom DLRG organisierter Schwimmkurs für die Töchter der Geflüchteten. Der dm-Drogeriemarkt in Langensteinbach stiftet dazu die Badebekleidung. Zu den zwei Töchtern der Familie Alkassas, Maryam (heute 9) und Hajar (heute 11), pflegt Anuschka immer noch eine gute Beziehung

Auch in Najima Mansouri aus Langensteinbach schlägt ein großes Helferherz. Als Hajar Alkassas in die Klasse ihres Sohnes kommt, lädt sie das Mädchen und bald auch deren Schwester Maryam oft ein. Sie macht vor allem Hausaufgaben mit ihnen und hilft somit den Kindern beim Erlernen der neuen Sprache. Ihrer Ansicht nach ist die Hausaufgabenbetreuung ein Schlüsselfaktor bei den Kindern. Najima schließt die Familie in ihr Herz. Heute sind sie Nachbarn, denn Najima hat nicht nur tatkräftig bei der Einrichtung der nächsten Unterkunft, der sogenannten Anschlussunterbringung in Auerbach gewirbelt, sie war auch maßgeblich verantwortlich, dass die Familie in ein richtiges Zuhause ziehen konnte. „Das Reihenhaus gegenüber von uns stand lange leer, ich glaube, es hat auf die Familie Alkassas gewartet. Ich konnte erfolgreich mit den Vermietern verhandeln.“ sagt sie. „Anuschka Rausch und ich haben uns quasi die Arbeit geteilt. Ich habe Haus, Ärzte und Schule übernommen, sie die Gänge zu den Ämtern.“

Dann ein weiterer Schicksalsschlag: Vater Waled stirbt unerwartet mit 52 Jahren. In dieser Phase kommt Helfer Jürgen Neumann aus Karlsruhe eine wichtige Rolle zu. Kennengelernt hat er die Familie über seine Frau und deren Freundschaft zu Ulrike Israel. Er steht an der Seite der beiden Jungen Abod (heute 18) und Baraa (heute 17), als sie plötzlich ohne Vater sind. 2-3 Mal in der Woche lernt er mit ihnen Englisch, Physik und Mathe und unterstützt Abod, als ein Schulwechsel notwendig wird. Er sagt: „Aus meiner Sicht wurde Abod unfair behandelt; ich bin froh, dass ich ihm helfen konnte und wir eine gute neue Schule für ihn finden konnten.“ Ohne ihn hätte Abod die 10. Klasse nicht geschafft. Auch bei der Suche nach einer Lehrstelle als Zahntechniker, unterstützt Jürgen Neumann den hochgewachsenen jungen Mann. Zu Baraa hat er ebenfalls ein freundschaftliches Verhältnis.
Mutter Laila ist eine sehr warmherzige und dankbare Frau. Sie kann gut Deutsch sprechen, hat den B1-Sprachlevel erreicht und gerade ihren deutschen Führerschein geschafft. Laila schätzt die Ordnung in Deutschland. Auf die Frage, was sie alle am meisten vermissen, kam als Antwort sofort: „Das Meer“.

Mein Besuch bei Familie Alkassas bewegt mich immer noch, eindrücklich auch die herzlichen Beziehungen der Familie zu den ehrenamtlichen Helfern – sichtbar in den vielen Umarmungen, die es an diesem Abend gibt. Ich verlasse das Haus, gestärkt von arabischen Süßigkeiten und der Hoffnung, dass wir es in unserem Land „schaffen können“, Menschen aus Krisengebieten zu helfen und eine neue Heimat zu geben. (Astrid Herrmann)