Asyl Gedicht Gedenkfeier

Sei neben mir und sieh, was mir geschehen ist.

Es ist vorbei, die Spuren noch im Herzen.

Damals kein Platz für mich,

für Schlaf in diesem Bus,

die Füße vertrocknet,

den Traum in müden Augen.

Die Polizei sagte STOPP,

geht zurück, geht zurück.

Trieb alle in die Waggons,

nur ich blieb allein auf dem Gleis.

Dann das Schlauchboot,

es sank,

und mein heißes Herz für Europa wurde kalt.

Wir zogen weiter, immer weiter,

die Welt schlief,

nur wir waren wach,

hungrig, durstig und müde.

Schließlich ein halbes Ankommen,

ein Sich-Zerreißen für ein bisschen Ruhe

im neuen Land.

Sei neben mir und sieh, was mir geschehen ist.

Meine Reise ist plötzlich zu Ende.

Eine letzte Gefahr in vermeintlicher Sicherheit,

im Dunkel der Nacht,

das Blut trägt mein Leben davon.

Es ist vorbei.

Warum nur?

Meine Spuren nun in den Herzen der anderen.

Sei neben mir,

und sieh, was mir geschehen ist.

Geänderte Fassung von Susanne Gehrung,

18.10.2019, Originaltext siehe unten

(Sei neben mir und sieh,
was mir geschehen ist.
Es ist vorbei, die Spuren noch im Herzen.
Kein Platz für mich, für Schlaf in diesem Bus.
Die Füße vertrocknet, der Traum versank im Auge.
Die Polizei sagte stopp.
Geht zurück, geht zurück.
Alle dann in den Waggons, nur ich allein auf dem Gleis.
Das Schlauchboot sank, und mein heißes Herz für Europa wurde kalt.
Die Welt schlief, nur wir waren wach,
hungrig, durstig, müde.
Wir sind ja weggegangen, schwieriger wird es zurückzukehren.
Das ganze Sich-Zerreißen, für ein bisschen Ruhe.
Nicht meine Ruhe.
Die Ruhe meiner Famililie.

Yasser Niksada, 14, in Afghanistan geboren, in Iran aufgewachsen, über die Überfahrt)